Freitag, 9. November 2007
31. Oktober 2007
Hallo Freunde,

in der letzten Zeit ist so einiges passiert, was mich ständig in Bewegung gehalten hat.
Vom 18.- 21. Oktober war Durga Puja, das größte Fest in Kalkutta, danach waren wir mit 48 Kindern aus unserem Projekt in Puri, einem Ort der 12 Stunden Busfahrt von hier aus am Indischen Meer liegt und touristisch ganz gut erschlossen ist.
Außerdem möchte ich noch kurz Zwei Ereignisse schildern, die zeigen, in welcher Weise die Gegensätze des alten traditionellen Indiens, mit denen des neuen, modernen und westlich orientierten Indiens zusammenstoßen.
Die Zwei Ereignisse nenne ich den "Hindu-Moslem Mordfall" und die "TATA Affäre".

Unter den vielen Pujas die hier über das ganze Jahr gefeiert werden ist die Durga Puja die wichtigste und etwa in seiner Bedeutung für die Menschen mit Weihnachten zu Vergleichen.
Durga, die auch Kali (aus Kalighat wurde Kalkutta) genannt wird, kommt für ein paar Tage auf die Erde um das Böse zu bekämpfen. So richtig habe ich die Mythologie nicht verstanden, da gibt es immer noch Deutsch-Englisch- Hindi Verständigungsprobleme.
In Kalkutta werden zu dieser Zeit zwischen 800 und 1500 Tempel aufgebaut, die alle die Ikone der Durga, des bösen Dämons, sowie Ganescha, Saraswati, Laxmi und Katik beherbergen.
Am Anfang befinden sich in ganz Kalkutta unheimliche, riesige Skelette aus Bambusstangen, die dann nach und nach mit farbigen Leinentüchern überspannt werden, bis die ganze Stadt von wunderschönen Tempeln voll gestellt ist.
An 3 Abenden sind ca. 16 Millionen Inder auf Kalkuttas Strassen unterwegs um sich die Tempel anzusehen, man kann das Verkehrschaos und die Menschenmassen erahnen, die zu dieser Zeit das Straßenbild von Kalkutta beherrschen.
Nach 3 Tagen gehen alle Statuen der Gottheiten den Bach runter, denn es ist Tradition, dass die aufwendig ausgestalteten Figuren nach den Festlichkeiten dem Ganges zurückgegeben werden. Da sie aus Lehm, Holz und Farbe hergestellt sind, ist das auch nicht so schlimm.

Die offizielle Ferienzeit der Durga Puja haben wir zum Anlass genommen um mit 48 Kindern des Projektes nach Puri zu fahren.
Die Busfahrt war schon sehr interessant, da wir unsere eigenen Köche mitgenommen haben, die bei jedem Halt eine Mahlzeit oder Tee gereicht haben.
In Puri haben wir uns in einem netten Hotel einquartiert und sind gleich am nächsten Morgen nach der Ankunft an den Strand gegangen.
Es ist eine indische Sitte um 5 Uhr aufzustehen um den Sonnenaufgang am Strand erleben zu können, außerdem wollten unsere Kinder natürlich am liebsten schon vor dem Frühstück drei Stunden im Wasser herumplanschen.
Die Wellen waren gigantisch und haben mich mehrere Male umgehauen, dann wieder gepackt und hochgerissen, herumgedreht und auf den Sandboden geschmissen- ich hatte schon nach den ersten Stunden einige Blessuren.
Auf unserer Rückreise haben wir den riesigen, uralten Sonnentempel in Konark bewundert.
Der Führer offenbarte uns seine erstaunliche Geometrie, die vollständig auf die Sonne ausgerichtet zu sein scheint. An allen Seiten sind Räder eingraviert, die mit unheimlicher Präzision die genaue Tageszeit wiedergeben.





Viel interessanter waren für viele jedoch die detailgetreuen Darstellungen des Kamasutras, die an den Tempelwänden ebenfalls zu finden waren. Das öffentliche zur Schau stellen des Aktes in sämtlichen Ausführungen steht einfach zu sehr im Kontrast mit dem verklemmten Verhältnis zwischen Mann und Frau in Indien.

Auf Indiens Weg zu einem modernen Staat steht aber nicht nur das veraltete Verhältnis der Geschlechter im Weg, sondern auch der ständige Gegensatz von Tradition und moderne in jeder Familie.
Ein vermeintlicher Mordfall beschäftigt die Presse von Kalkutta seit einigen Wochen.
Die Tochter eines reichen hinduistischen Industrialisten war in einen relativ armen aber intelligenten Moslem verliebt.
Eines Tages fand man den armen Jungen Tod auf den Gleisen der Eisenbahn liegen, es sollte wohl nach Selbstmord aussehen.
Der Fall wurde noch nicht geklärt, aber die Zeitungen lassen jeden Tag weitere Ergebnisse der Ermittlungen verlauten.
Man nimmt an, dass der Vater des Mädchens einige Polizisten bestochen hat, damit diese den Liebhaber seiner Tochter umbringen.
Das zeigt gleich Zwei erschreckende Tatsachen: Das Verhältnis zwischen Moslems und Hindus ist immer noch angespannt. Kein Moslem kann ein Hindu heiraten ohne Probleme zu bekommen, in den Krisengebieten Indiens gibt es immer noch Anschläge von Hindus gegen Moslems und andersrum.
Ausserdem offenbart es die Bestechlichkeit der Polizei und ich bin sicher, dass die Polizei nicht das einzige Staatsorgan ist, das gerne Bestechungsgeld annimmt.

In der „TATA-Affäre“ handelt es sich um ein weiteres Problem zwischen Staat und Bevölkerung. Der hiesige Automobilhersteller TATA wollte in Hinterland von Kalkutta eine Fahrzeugfabrik errichten lassen. Um dafür genügend Platz zu schaffen wurden etliche Bauern enteignet. Natürlich wurden Kompensationszahlungen vereinbart, aber nachdem sich der Staat nicht an seine Abmachungen gehalten hat, sind die Bauern gesammelt aufmarschiert, um gegen diese Ungerechtigkeit zu demonstrieren.
Natürlich heißt es aus der Menge wurden zu erst Schüsse abgefeuert, aber die Demonstration wurde erst erfolgreich zerschlagen, nachdem die Staatsmacht einige Bauern niedergeschossen hatten.
Gestern und Heute sind in Kalkutta und Umland jegliche Läden geschlossen, kein Bus fährt und die öffentlichen Ämter mussten schließen, da sich die Bevölkerung in einem Generalstreik über diesen Vorfall empört.

Interessant fand ich diese schrecklichen Ereignisse deswegen, weil sie so viele Karakterzüge Indiens wiederspiegeln. Die Übermachtstellung der Reichen gegenüber den Armen, die Probleme zwischen den Kulturen, das Verhältnis zwischen Mann und Frau und die Korruption im Staat.

Wer bis hierhin gelesen hat, dem möchte ich danken, denn er nimmt massiv Anteil an dem was ich erlebe.

In der nächsten Zeit werde ich diesen Eintrag auf meinem Blog www.indien.blogger.de noch mit ein paar Bildern verzieren. Im Moment habe ich eine zu langsame Internetverbindung um Fotos hochzuladen.

Viele Grüße und bis bald. Marko

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Fotos?
Hallo liebster Marko,
wir würden uns über mehr fotos sehr freuen um zu sehen wie es bei dir so aussieht!

lg

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