Donnerstag, 3. Juli 2008
03.Juli.2008
Hallo liebe Freunde und Verwandte,

es ist lange her, dass ich etwas von mir habe hören lassen. Das lag daran, dass Indien für mich zu einem Teil einfach schon zur Routine geworden ist und ich vieles was ich erlebe nicht als erzählenswert erachte- das ist natürllich völlig falsch und deswegen jetzt einmal wieder ein Newsletter von mir.

Anfang Juni hat der, dieses Jahr ziemlich frühe, Monsun eingesetzt. Es regnet regelmäßig, der Himmel ist meißt bedeckt und es sind nur noch durchschnittlich 30 Grad, was eine Erholung ist, da wir im Mai noch bis zu 40 Grad hatten.

Im Juni wollte uns ein Kamerateam aus Hamburg besuchen, dass schon mit dem Film Egoiste (www.egoiste-film.com) auf sich aufmerksam gemacht hat. Der Film handelt über ein Sozialprojekt an der Elfenbeinküste und läuft im Moment in den deutschen Kinos an- sehr zu empfehlen.
Leider gab es für Kalkutta Probleme mit dem Pressevisa, weswegen der Film erst im Oktober gedreht werden kann, dann leider ohne mich. Aber es lohnt sich die Augen weiter offen zu halten, es dauert zwar bestimmt noch eine Weile bis der Film in Deutschland anläuft, aber er wird bestimmt ein paar sehr gute Eindrücke enthalten über die Welt in der ich im Moment lebe!



Mit meiner Arbeit ist auch mein Verständnis über das Leben hier gewachsen ich fange an Zusammenhänge zu verstehen und bekomme Einblicke in Bereiche die mir wegen Verständigungsproblemen vorher verschlossen geblieben sind.
Ich habe angefangen mir Gedanken darüber zu machen warum dass hier so ist wie es ist und wie man das für den Europäer oft Unbegreifliche verstehen kann!
Auf dieser Seite des Ganges, das heißt in Howrah, liegt das Durchschnitseinkommen vielleicht bei knapp 2000 Rupien (34 Euro) wohingegen auf der anderen Seite, also in Kalkutta, eine Superstadt heranwächst die alle Dimensionen zu sprengen scheint.
Nach dem letzten Stand hat Kalkutta 16 Mio. Einwohner, davon ist zwar der Großteil der Bevölkerung den man auf der Straße sieht vergleichsweise arm, es entstehen jedoch überall riesige sog. Supermalls die mit deutschen oder amerikanischen Kaufhäusern Problemlos mithalten können. Da werden Gebäude errichtet die offenkundig nur dazu da sind um den technischen Fortshritt und das materielle Vermögen der Erbauer darzustellen. Zwischen dem Flughafen und Kalkutta wurde eine rieseige Fläche von einem Fond aufgekauft, der hier eine Art New-Kalkutta entstehen lassen will, mit Villen im italienischen Stil und Multiplexkinos etc.- Nahe genug zum Flghafen, damit der indische/internationale Manager nach Europa und Amerika reisen kann und nahe genug an Kalkutta für einen Ausflug ins Museum oder zu den heiligen Hindustätten ist.



Wie toll und fortschrittlich Kalkutta ist lässt sich noch weiter fortführen mit riesigen Vergnügungsparks in denen nur überfette (K)Inder herumlaufen und einem Wasserthemenpark der über 20 verschiedene Rutschen zur Verfügung hat, viel interessanter ist für mich aber die Frage, wie lässt sich das alles mit der Armut vereinbaren die noch immer das Bild des alten Stadtzentrums prägt und die in Indien sonst überall allgegenwärtig ist.
Die Schere zwischen Arm und Reich ist gerade in Kalkutta sehr groß, Menschen betteln vor einem modernen „Starbucks“ Laden und freuen sich über 2 Rupien, während die Gäste drinnen einen Kaffee trinken der mindestends 50 Rupien kostet. Eine solche Unausgeglichenheit ist unvorstellbar, es mag vielen Europäern behagen Indien als Dritteweltland abzutun und seufzend anzuerkennen, dass die Menschen „dort“ ja so Arm seien, dass Indien jedoch ein Wirtschaftswachstum von über 8% hat und indische Firmen anfangen den europäischen Markt aufzukaufen scheint das Problem nicht zu beseitigen, ganz im Gegenteil scheint es die Lage nur noch zu verschlimmern.
Eine Untersuchung hat ergeben, dass durchschnittlich für jeden Menschen der im Wohlstand lebt (also quasi die gesamte westliche Population) 4 Menschen am Hungertod sterben müssen, wenn man nun die Tatsache hinzunimmt, dass Indiens Mittelschicht, die immer kaufstärker wird, 400 Mio. Menschen stark ist (zum Vergleich die Gesamtbevölkerung Amerikas beträgt 350 Mio.) wird offensichtlich wie sich der Wohlstand der indischen Mittelschicht wohl auf die Armut auswirken wird.
Es ist für mich eine zentrale Erkenntnis meiner Arbeit hier geworden, dass gerade wir, die das Glück haben im „Westen“ geboren zu sein, die Verantwortung tragen etwas gegen diese Armut zu unternehmen. Auch wenn es in Deutschland anscheinend keine armen Menschen gibt, so dürfen wir nicht so tun als ob es keine Menschen auf dieser Welt gäbe die wegen unserem Konsumverhalten leiden müssen.



Ich würde mich freuen wenn jemand dazu etwas schreiben würde.
Ich möchte gerne noch weitere Meinungen hören!

Heute ist der 03.Juli.2008, damit sind es noch genau Vier Wochen bis ich wieder nach Deutschland fliege. Ich freue mich auf meine Freunde und meine Familie, ich weiß aber jetzt schon, dass es mir bestimmt nicht leicht fallen wird mich von den Hostelkindern zu verabschieden die mir jetzt schon so sehr ans Herz gewachsen sind.

Viele Grüße
Marko

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